Saturday, March 25, 2006

Article in Welt

23. März 2006, 00:00 Uhr
Von Christian Thiele

Argentiniens Präsident ruft zum Steak-Boykott auf

Walter Ribero sieht nicht aus wie der personifizierte Volksaufstand. Aber aus Sicht der argentinischen Regierung hat der gemütliche Mittvierziger gestern Morgen gegen halb zehn Uhr zivilen Ungehorsam begangen: Ribero hat Fleisch gekauft. Gut zwei Kilogramm argentinisches Rindfleisch, für den Grillabend am Wochenende. Dabei hat doch Staatspräsident Nestór Kirchner zum Steakboykott aufgerufen.
Im Kampf gegen die Preissteigerung hat sich Kirchners Regierung die Fleischproduzenten als Lieblingsfeind ausgesucht. Seit letzten Herbst attackiert sie mit immer neuen Methoden die Industrie: Mal läßt sie das Mindestschlachtgewicht für Kälber erhöhen, mal die Exportsteuern verdreifachen, mal ein neues Ausfuhrregister einführen - bislang ohne jeden Nutzen. Schließlich ordnete er einen sechsmonatigen Bann für einen Teil der Fleischausfuhren an. Da das aber die Preise immer noch nicht signifikant gedrückt hat, geht Kirchner der Branche jetzt direkt an die Gurgel: "Lassen wir sie die Macht der Konsumenten einmal spüren, damit sie nicht mehr zu jedem x-beliebigen Preis verkaufen", schäumte der Präsident letzte Woche in einer Fernsehansprache.
Die Fleischpreise sind im vergangenen Jahr um fast ein Viertel gestiegen, die Inflationsrate lag bei zwölf Prozent. Kirchner, der sich nächstes Jahr wohl zur Wiederwahl stellt, zwingt deshalb viele Branchen zu Preisabkommen. Nur mit dem Fleischmarkt hat das bisher nicht geklappt, deshalb die Brachialmethoden.
"Kurzfristig wird er damit auch etwas bewirken", sagt Pablo Mariani, der Rinder züchtet. "Nur darum geht es Kirchner: Um die Schlagzeilen des nächsten Tages." Langfristig aber werde das Angebot sinken, weil die Viehzüchter auf andere profitablere Produkte umsteigen, sagt Mariani. "Das ist wie mit den Mietpreisobergrenzen im New York der 20er Jahre: Erst sanken die Preise, dann baute keiner mehr. Heute kostet ein Apartment drei Millionen Dollar."

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